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Text: Prof. Christina Aus der Au  

Prof. Christina Aus der Au wuchs in der Schweiz auf und studierte Philosophie und Rhetorik in Tübingen, dann Theologie in Zürich. Sie habilitierte sich in Basel zum Menschenbild in Theologie und den Neurowissenschaften und ist seit 2010 die Theologische Geschäftsführerin am Zentrum für Kirchenentwicklung an der Universität Zürich. Zudem ist sie Verwaltungsrätin der Alternativen Bank Schweiz und Mitglied im Vorstand des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Im Reformationsjahr 2017 ist sie die Präsidentin des Kirchentags in Berlin und Wittenberg. Sie wohnt mit Mann und achtjähriger Tochter in Frauenfeld/Schweiz.

 
   
 

 

 

 

„Frau Aus der Au, Sie haben zusammen mit anderen das Buch "Urbanität und Öffentlichkeit" herausgegeben, das den Untertitel "Kirche im Spannungsfeld gesellschaftlicher Dynamiken" trägt. Stimmen Sie zu, dass die Sprache der evangelischen und katholischen Kirche besonders Städtern fremd geworden ist? Falls ja, wo sehen Sie die Ursachen?“

Zunächst: Es gibt weder "die" Sprache der Kirchen noch gibt es "die" Städter. In Zeiten der umfassenden Mobilität können die Menschen nicht mehr nur nach ihrem Wohnort charakterisiert werden. Eine soziale Urbanisierung, also die Ausbreitung städtischer Sozial-, Wohn-, Lebens- und Wirtschaftsformen, prägt weite, auch ländliche Gebiete Deutschlands und der Schweiz. Dazu gibt es in der Stadt wie auch auf dem Land zwar noch die traditionellen Formen des Kircheseins, die Kirche im Dorf, der klassische Gottesdienst, die alten Kirchenlieder, in denen sich vor allem ältere Menschen zuhause fühlen. Hinzu kommt aber auch eine Vielfalt von weiteren kirchlichen Angeboten, die ältere und jüngere Menschen mit ganz unterschiedlichen Interessen und "Sprachen" ansprechen: Kulturkirchen und kirchliche Hiphop-Gruppen, Motorradgottesdienste und Waldgottesdienste, die Jugendkirche unter dem Eisenbahnviadukt mit wlan und Sommerkonzerten und die Kirche als Hipster-Café mit gesponserten Kaffees und Hilfsangeboten bei Steuererklärungen und Schulproblemen.

Dass es aber offenbar trotz all dieser Angebote ein Kommunikationsproblem gibt zwischen den Kirchen und vielen Menschen, unabhängig von Stadt oder Land, das lässt sich an den schwindenden Mitgliederzahlen ablesen. Oder auch am Verkaufserfolg eines Buches mit dem Untertitel Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt. Darin wütet der Autor über den kirchlichen "Jargon der Betroffenheit" und die "erdrückende Ganzheitlichkeit". Und erntet umwerfend viele Reaktionen – die meisten erleichtert, dass jemand sich traut, dermassen Klartext zu reden. Offenbar fehlt das den Kirchen: der Klartext. Laut und verständlich das Evangelium verkündigen. Auf gut reformatorisch: Gott hat die Menschen in Jesus Christus befreit und erlöst. Allerdings könnte auch dies daran scheitern, dass die urbanisierten Menschen mit Gott nicht viel anfangen können. Dass sie nicht wissen, wer Jesus Christus ist. Und ihnen Erlösung viel zu abgehoben daher kommt.

Diese Botschaft kommt aber vielerorts auch frisch und verständlich daher – und wird auch in Taten übersetzt: in bedingungslose Zuwendung, in mutmachende Unterstützung und in fröhliche Gemeinschaft. Und damit sind wir wieder bei den vielfältigen Angeboten, bei denen sich Menschen fröhlich engagieren. Diese Sprache wird erstaunlich oft verstanden – sowohl von denjenigen, welche diese Angebote gerne nutzen, als auch von denjenigen, die selber im Moment nichts davon brauchen, aber Kirche für andere unterstützen wollen. Oder die ahnen, dass sie auch einmal froh darum sein könnten, dass es noch Menschen gibt, welche diese Botschaft der Kirche verkörpern und weitererzählen. Die von der Freiheit erzählen, die befreit von der Sucht nach Anerkennung und Grösse. Und von Gott, in dessen Hand wir fallen, wenn alles andere zusammenbricht. Das ist dann nicht "die Kirche", die spricht, sondern einfach Menschen, welche das selber irgendwie erfahren haben. Aber diese Menschen, ihr Reden und ihr Tun – das ist alles, was es an Kirche auf Erden gibt.

 

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