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Text: Holger Geißler  

Holger Geißler wurde 1970 in Heidelberg geboren. Er studierte Psychologie in Heidelberg und Markt- und Werbepsychologie in Mannheim. Nach dem Studium arbeitete er zunächst als Projektleiter in den Bereichen Kundenzufriedenheit, Branding und Produktentwicklung für die psychonomics AG. Ab 2000 war er als Senior Manager verantwortlich für den Aufbau der Online-Marktforschung. 2008 wurde er in den Vorstand von YouGov berufen und ist in dieser Funktion verantwortlich für den Bereich Custom Research. Er ist mit aktuellen Forschungsergebnissen von YouGov regelmäßig in Funk und Fernsehen präsent, u.a. zum Politikgeschehen in NRW.
Er war von 2004 bis 2011 Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Online-Forschung (DGOF) und unterrichtet als Dozent am Masterstudiengang Markt- und Medienforschung an der Fachhochschule Köln.
Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern und deshalb fast täglich mit YouTube konfrontiert.
In seiner Freizeit engagiert sich u.a. als Presbyter in der Kirchengemeinde.

 
   
 

 

 

 

„Herr Geißler, Sie leiten das Marktforschungsinstitut YouGov und haben sich intensiv mit der Zukunft von TV und YouTube auseinandergesetzt. Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen? Wie schnell wird sich YouTube in Deutschland entwickeln? In welche Richtung? Und wie könnte Ihrer Meinung nach Kirche wohl einen Channel sinnvoll nutzen?“

Um Ihre Fragen direkt zu beantworten:

  1. YouTube ist weltweit und in Deutschland bereits wahnsinnig populär und wird noch populärer werden
  2. Junge Menschen bevorzugen zunehmend Webvideos statt Fernsehen
  3. Es gibt einen generationsübergreifenden Trend hin zum Bewegtbild
  4. YouTube ist neben Google die zweitwichtigste Suchmaschine

Wer Belege dafür haben möchte, der findet im Abschnitt „Zahlen“ weitere Informationen.

Und wie könnte Ihrer Meinung nach Kirche wohl einen Channel sinnvoll nutzen?

Die Kirche tut aufgrund der obigen Befunde zunächst gut daran, YouTube nicht zu ignorieren, sondern die Plattform für sich zu nutzen, wie es ja z.B. die evangelische Kirche bereits in einem eigenen Channel tut (www.youtube.com/user/wwwEKDde/featured).


Darüber hinaus könnte aber auch jede Gemeinde perspektivisch einen eigenen YouTube-Channel betreiben. Genauso wie jede Gemeinde einen Internetauftritt, einen Facebook-Auftritt und jeder Pfarrer eine E-Mail-Adresse haben sollte. Das ergibt sich allein schon durch die Popularität von YouTube, ist aber auch durchaus im Einklang mit Paulus, wie man z.B. in 1. Korinther 9, 16-23, nachlesen kann. Um Menschen für Christus zu gewinnen, begegnet er ihnen auf Augenhöhe. Übertragen auf heute könnte das heißen, dass man sich dem Medium YouTube nicht verschließen kann, wenn viele Menschen eher auf YouTube anzutreffen sind als am Sonntag im Gottesdienst.

Die Kirche hat dabei im Unterschied zu vielen anderen Institutionen, den großen Vorteil, dass sie Inhalte in Hülle und Fülle besitzt. In der Internetsprache heißt das „Content“. Inhalte zu haben ist im Internet gleichbedeutend damit Menschen erreichen zu können. Wer Inhalte hat, ist populär, wird gefunden und bekommt Aufmerksamkeit. YouTube ist nicht deshalb populär, weil die Website so gut funktioniert, sondern weil darauf viel spannender „Content“ zu finden ist.

Was für Inhalte hat die Kirche? Die Kirche hat das Wort Gottes und die Auslegung der Bibel in Form von Predigten. Jeden Sonntag gibt es in jeder Gemeinde eine Predigt, d.h. neuer „Content“, oftmals mit spannenden Gedanken und aktuellem Bezug. In wie vielen Predigten wurde z.B. das Drama um den Absturz der „4U9525“ behandelt?

Um eine Predigt in ein Webvideo zu verwandeln, braucht es nicht viel: moderne Smartphones liefern HD-Video-Qualität; digitale Videokameras sind mittlerweile vergleichsweise günstig und eine bessere Ausleuchtung des Predigers auf der Kanzel durch einen Scheinwerfer würde in den wenigsten Fällen schaden. Klar, man braucht auch jemanden, der die Technik bedienen kann. Geben Sie diese Aufgabe an Konfirmanden, dann ist für die der Gottesdienst nicht so langweilig. Das muss man ausprobieren, aber man wird durch Trial & Error schnell herausfinden, wo die Kamera und das Licht stehen müssen, damit das Ergebnis vorzeigbar wird. Falls die Aufnahme in der Kirche nicht klappt, filmen sie ihren Pfarrer im Gemeindehaus. Das kann im einfachsten Fall aussehen wie z.B. bei Horst Lüning und seinem Videoblog. Sein Videoblog-Beitrag zur „4U9525“ wurde innerhalb von 7 Tagen bereits über 8.000mal abgerufen. Das sind Zahlen, die man sich über die Jahre erarbeiten muss, denn mit dem Webvideo allein ist es nicht getan: Sie müssen auch dafür sorgen, dass jemand sich das Video anschaut. Ein eigener YouTube-Channel will gepflegt und betreut werden. Auch das könnte eine spannende Aufgabe für Konfirmanden und junge Mitarbeiter sein. Verbreiten Sie ihre Videos über soziale Kanäle wie Facebook & Twitter und binden Sie die Webvideos in ihre Gemeinde-Website ein.

Die technische Qualität der Video-Aufnahme ist dabei nicht entscheidend, solange man den Prediger in dem Video gut sehen und hören kann. Entscheidend ist die spirituelle Qualität der Auslegung. Wenn eine Predigt langweilig ist, wird sie das auch als Webvideo sein. Aber ein Prediger, der in der Kirche begeistert, wird auch im Webvideo rüberkommen.

Dabei ist eine Sache besonders wichtig: Authentizität. Was immer sie als Webvideo ins Netz stellen, es sollte authentisch sein. Deshalb sehe ich auch größeres Potenzial, wenn eine Gemeinde das Medium Webvideo für sich entdeckt, als wenn die Kirche Hochglanz-Imagefilme für YouTube produzieren lassen würde. Sie glauben mir nicht? Dann schauen Sie sich mal das Video „Charlie bit my finger“ an. Dieses Video wurde auf YouTube – Stand April 2015 – über 815 Millionen Mal abgerufen, trotz einfachster Video-Aufnahme.

Ob junge Menschen durch YouTube den Weg zurück in den Gottesdienst finden werden? Darauf würde ich nicht wetten, denn das löst ja letztlich nicht das Problem der vielen langweiligen Gottesdienste in unseren Gemeinden. Letztendlich ist YouTube ein weiterer relevanter Kanal um Gottes Wort unter die Menschen zu bekommen. Und das sollte letztlich ausschlaggebend sein: Menschen für den Glauben zu gewinnen.

Zahlen

YouTube ist heute weltweit die populärste Plattform für Webvideos. Die Zahlen sind beeindruckend: 1 Milliarde Nutzer weltweit, pro Minute werden 300 Stunden neues Videomaterial hochgeladen und die Anzahl der Stunden, die Nutzer jeden Monat auf YouTube ansehen, steigt jährlich um 50% im Vergleich zum Vorjahr (www.youtube.com/yt/press/de/statistics.html).

In Deutschland sind die Zahlen ebenso beeindruckend: 40% aller Deutschen (nicht nur der Internetnutzer) nutzten innerhalb der letzten sieben Tage YouTube. Bei den 14-29-Jährigen sind es bereits 79%, die in der letzten Woche Bewegtbild online genutzt haben (www.ard-zdf-onlinestudie.de/fileadmin/Onlinestudie_2014/PDF/0708-2014_Koch_Liebholz.pdf).

Für Jugendliche und junge Erwachsene sind Webvideos heute sehr viel wichtiger als Radio und Fernsehen. Der Abstieg des linearen Fernsehens, wie wir es aus der Vergangenheit kennen, hat längst begonnen. Deutliche Anzeichen sind neben der Nutzung von Webvideos auf Plattformen wie YouTube und Mediatheken, die immer größer werdende Popularität von Streamingdiensten wie z.B. Netflix oder SkyGo oder die Popularität von Serien über DVDs. Außer bei Live-Events wie Fußballspielen lassen sich vor allem junge Menschen heute ihren Bewegtbild-Konsum nicht mehr vom Fernsehprogramm bestimmen. Man schaut wann und was man will über das Internet. Und statt lange Texte wie Gebrauchsanweisungen zu lesen, bevorzugen viele Menschen heute Erklärvideos, in denen die gleichen Dinge anschaulich in einem Webvideo erklärt werden.

Neben der zunehmenden Nutzung von Webvideos ist YouTube auch deshalb relevant, da YouTube heute hinter Google bereits die zweitpopulärste Suchmaschine der Welt ist (www.youtube.com/yt/playbook/de/metadata.html). Möchte man gefunden werden, tut man gut daran auf YouTube präsent zu sein.

 

nach obeN

     
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