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Im Interview:
Eva Jung
Bild: photocase.com
© gordon bussiek

 

 
   

 

Eva Jung, Jahrgang 1968, Kommunikations-Designerin aus Hamburg ist Mitglied im Art Directors Club Deutschland und hat für große und bekannte Marken in Werbeagenturen wie Springer & Jacoby oder Philipp und Keuntje gearbeitet. 2001 gründete sie als Kreativ-Partnerin Red Rabbit Leo Burnett und hat im Laufe der Jahre zahlreiche nationale und internationale Kreativ-Preise gewonnen. 2006 initiierte und gestaltete sie die christliche Internetplattform www.godnews.de, arbeitete freiberuflich als Texterin, Art Direktorin und Kreativ- Beraterin. Seit Januar 2010 ist sie Geschäftsführerin der Kreativschmiede www.gobasil.com mit Sitz in Hamburg und Hannover.  
   

 

  Angenommen/abgelehnt –
Werbekampagnen für Glaube und Kirche

Interview mit Eva Jung

Sie machen immer wieder Kampagnen für den Glauben, und dies ohne äußeren Auftrag, sondern aus eigener Motivation. Warum?
Na ja, Kampagnen ist etwas hoch gegriffen. Ich wünschte, ich könnte eine richtige Werbekampagne für Gott starten - mit ordentlichem Werbebudget und relevantem Mediavolumen.

Aber das, was sie wahrscheinlich mit Kampagne meinen, fing ganz klein und privat an. Ich gestaltete ein paar Postkarten. Mit Bibelversen, die mir gerade wichtig waren und Bildern, die mir zu den Versen gefielen und die fern ab von dem waren, was man üblicherweise im christlichen Postkarten-Sortiment findet.

Wann war das?
2005 registrierte ich die Domain www.godnews.de. Ursprünglich in der Absicht, dort ein wenig über Gott und die Welt zu plaudern. Ich stellte, eher nebenbei, auch die Kartenmotive ins Netz und machte sie als E-Cards verschickbar. Nach kurzer Zeit hatte ich die Idee, die Website und den am 4. Mai 2006 zum ersten Mal verschickten „godnewsletter“ dazu zu nutzen, die kirchlichen Feiertage in eine heute verständliche Sprache zu übersetzen.

Wie kam es zu dieser Idee?
In unserer Gesellschaft nimmt man diese aus den Feiertagen resultierenden freien Tage gern mit. Immer mehr Menschen wissen aber leider nicht mehr, was da genau gefeiert wird. Die Aktionen zu den Feiertagen kamen gut an und führten dazu, dass die Website oft weiterempfohlen und viel verlinkt wurde.

Irgendwann verselbstständigte sich die Sache: den godnewsletter abonnierten, ohne dass ich dafür auch nur irgendwo Werbung gemacht hätte, innerhalb kürzester Zeit über 1.000 Leute, inzwischen sind es fast 2000. Und von den E-Cards werden in der Woche zwischen 300 und 1000 verschickt.

Bald fragte mich ein Verlag, ob er meine Kartenmotive verlegen dürfte. Die Kampagnen, die Sie in Ihrer Frage ansprechen, sind im Zuge dieser Aktionen entstanden, die ich zu den Feiertagen gemacht habe, zum Beispiel www.menschjesus.de oder auch zu Produkten wie www.wertvollwort.de, die ich für den Verlag entwickelt habe.

Was motiviert Sie dazu?
Ich mache seit vielen Jahren Werbung für große und kleine, namhafte und noch namhaft werden wollende Unternehmen. Und noch länger als in der Werbung, bin ich Gottes Sache auf der Spur. Ich finde, die Bibel ist eine super »Gebrauchsanleitung« fürs Leben – aber eben etwas dick und sperrig und oft genauso wenig gern gelesen, wie Gebrauchsanleitungen das meistens widerfährt.

Ich bin Werberin mit Haut und Haaren. Und da muss man Sachen gut auf den Punkt bringen können – zum Beispiel ellenlange Kundenwünsche und -briefings auf einem 18/1-Plakat zusammenfassen. Und darum juckt es mich schon ganz lange, die Botschaft Gottes eben mal weniger sperrig unters Volk zu bringen.

Ihre Kampagne „Mensch, Jesus“ entsteht aus der Wahrnehmung, dass Jesus immer nur als Kind, Gekreuzigter oder Entrückter auftaucht, nie aber sozusagen alltagstauglich als Mensch. Was denken Sie, warum ist das so? Und wie haben Sie in Ihrer Kampagne andere Akzente gesetzt?
Diese „Kampagne“ war ursprünglich ein Adventskalender auf www.godnews.de. Ich sprach ja schon von meiner Idee, über das Kirchenjahr hinweg, die Feiertage genauer unter die Lupe zu nehmen. Jesu Geburtstag ist meiner Meinung nach das Paradebeispiel eines verkannten christlichen Festes: Weltweit wird ein unglaublicher Aufwand in Sachen Weihnachten betrieben. Aber wer weiß heutzutage eigentlich noch, wessen Geburtstag da genau gefeiert wird? 

So war meine Idee, vom 1. bis zum 24. Dezember 2007 jeden Tag einen neuen Wesenszug des Menschen Jesus Christus in den Fokus zu rücken. Immerhin war Jesus als echter Mensch auf dieser Erde unterwegs. Mit allem, was einen normalen Erdenbürger ausmacht. Wer kennt schon all die Aspekte, die man in der Bibel über Jesus lesen kann? Ich wollte mit der Kampagne Lust machen, mehr über Jesus zu erfahren und vielleicht auch mal selber einen Blick in die Bibel zu werfen.

Und wie kam die Kampagne an?
Die Aktion kam so gut an, dass ich mich dazu entschieden habe, aus dem Kalender eine eigene Website zu machen: www.menschjesus.de Inzwischen sind dort weit mehr als die 24 Motive zu sehen. Jedes dieser Motive versucht einen Brückenschlag zwischen damals und heute zu leisten: Die Abbildungen sind moderne Fotos aus dem Hier und Heute – die Texte fassen die Situation, in der sich Jesus damals befand, zusammen. Es war und ist mir wichtig zu kommunizieren, dass Jesus für unseren heutigen Alltag relevant ist – und nicht nur den Menschen vor 2000 Jahren etwas zu sagen hatte.

Von Ihnen liegt eine Art neuer Bibelübersetzung vor. Damit das Neue Testament ein täglicher Begleiter sein soll, haben sie die Bücher im Moleskine-Stil gestaltet mit humorvoll-provokanten Texten auf den bunten Banderolen. Kommt es denn beim Wort Gottes auf den Umschlag an?
Wenn es im normalen Buchhandel auffallen soll, kommt es bei jedem Buch auf den Umschlag an. Nebenbei bemerkt: Ich habe nur den Umschlag und die dazugehörige Werbung konzipiert und gestaltet – die Übersetzung ist natürlich nicht von mir! Die ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit eines engagierten Übersetzerteams. 

Wie kommt Ihr Neues Testament bei den Leuten, bei Verlagen und Kirchenoberen an?
Unglaublich, aber wahr: Die Erstauflage war nach 10 Tagen ausverkauft! Das ist einem Neuen Testament bisher noch nie passiert. Üblicherweise bleiben diese Teilausgaben eher im Regal liegen, weil die meisten Leute, die gesamte Bibel kaufen wollen und nicht nur ein NT. Die Resonanz ist umwerfend. O-Töne gefällig?

Gern...
„Erst dachte ich an ein Notizbuch, dann las ich plötzlich in der Bibel. Superidee und eine ganz großartige Aufmachung und die Texte sind verständlich.“ „Liebe Frau Jung, wir sind hellauf begeistert vom einzigartig schön und edel und pfiffig gestalteten NGÜ-NT. Bis hin zu den gerundeten ‚Ecken’ und den vielen anderen Kleinigkeiten: Es ist eine schiere Lust, das Buch auch nur zu sehen, es zu befühlen - und dann umso lieber: zu lesen... Danke!“ „Hey Eva, du bist ‚schuld’, dass ich meine erste Bibel gekauft habe! Liegt auch zu Hause nicht ‚rum’, schön geworden.“ „Nur ganz kurz: Ich habe gerade mein neues Testament NGÜ in der Hand. Wow. Sehr schönes Konzept für Umschlag und Text. Bin begeistert.“

Was die Kirchenoberen dazu sagen, weiß ich nicht. Bin nicht so nah an diesen Leuten dran, als dass ich da direktes Feedback hätte.

2005 registrierten Sie, wie Sie sagten, die christliche Internetplattform www.godnews.de. Über ein paar Erfahrungen damit haben Sie schon gesprochen. Was uns auch interessiert: Wie ist das Feedback?
Ich bekomme immer wieder sehr gutes Feedback zu godnews.de. Was mir sehr wichtig ist, ist dass man godnews.de nicht so einfach in die altbekannten Schubladen stecken kann. Schubladen wie „Christen sind altbacken“, „Jesus ist von gestern“, „Die wollen nur mein Geld“, „Glaube hat keine Relevanz für mein Leben heute“ etcetera.

Christen neigen leider häufig dazu, Antworten auf nichtgestellte Fragen zu geben. Ich möchte auf godnews.de keine Antworten, sondern Anregungen geben. Lust machen, über das Leben und seine Irrungen und Wirrungen offen nachzudenken - Gott in Erwägung zu ziehen. Und an mancher Stelle möchte ich auch einfach ein bisschen provozieren - die Leute aus der Reserve locken, überraschen.

Was ich gar nicht gern mag, ist, wenn man zu schnell den Sack zubindet: „Du musst nur dieses oder jenes Gebet sprechen, dann ist dir ein Platz im Himmel sicher.“ Ich möchte den Menschen die Möglichkeit lassen, selber ihre Schlüsse zu ziehen. Ich möchte einfach nur Gedankenanregungen geben. Was die Leute und Gott daraus machen, ist ihnen überlassen.

Und dann möchte ich mit godnews.de Christen „Instrumente“ in Form von E-Cards und anderen Aktionen an die Hand geben, mit denen sie bei ihren Freunden unpeinlich das Thema Glaube und Gott platzieren können. Das Feedback von Usern der Website ist einhellig, dass sie sich freuen, endlich eine Alternative gefunden zu haben. Fernab von Sonnenuntergang und weichgespülten Gefühlsduseleien. 

Gibt es Kommentare von kirchlicher Seite?
Ich kann nicht immer sehen, ob die Menschen, die mir Feedbacks schicken, hohe Amtsträger sind oder einfache User. Ich kenne aber einige Pastoren und Gemeinden, die zum Beispiel Predigtreihen mit den Mensch-Jesus-Motiven gemacht haben oder sich die ein oder andere Aktion als Präsentation für den Gottesdienst wünschen.

Die Website ist aber am Ende doch zu klein und unbekannt, als dass es dazu großartige Kommentare von offiziellen Stellen gäbe. Andererseits hatte www.menschjesus.de 2009 einen Webfish gewonnen, das ist eine Auszeichnung der EKD für christliche Websites. Und www.wertvollwort.de ist ganz aktuell unter den 10 nominierten Websites für den Webfish 2010.

Sie nutzen ja intensiv die E-Communication. Was denken Sie: Sind die neuen Medien eine neue Chance für die Verkündigung des Evangeliums?
Ja. Ich selber bin Nutznießer dieser Chance: Ich kann einfach meine Art zu denken und zu glauben verbreiten, ohne dafür ein großes offizielles Organ bemühen zu müssen. Man kann mit etwas Geschick ein großes Auditorium bedienen, ohne dafür dicke Geldmittel in die Hand nehmen zu müssen. Manche Blogs oder auch Online-Communities wie Facebook und Twitter sind inzwischen feste Größen in der Kommunikationslandschaft und erfreuen sich einer Leserschaft, von der so manches gedrucktes Blatt nur träumen kann.   

Gibt es hier nur Chancen, oder sehen Sie auch Risiken?
Risiken? Ja, es kann eben jeder tun und lassen, was er möchte. Viele Laien tummeln sich im www und so manches, was über Gott und Jesus im Umlauf ist, ist an Peinlichkeit kaum zu toppen. Das ist schade. Aber das gilt ja nicht nur für christliche Themen: zu jedem Thema gibt es Peinliches und Überflüssiges im Netz. Von daher relativiert sich das wieder und wird von den Usern auch meistens schnell erkannt.

Jeder meint, eine Internetseite machen zu können. Theoretisch ist das natürlich auch richtig. Dennoch ist die Präsenz im weltweiten Netz nicht umsonst oder billig zu haben. Gute Angebote kosten Geld und wollen ordentlich gepflegt sein. Man muss sich mit den Medien schon auskennen und ein gutes Gespür dafür haben, was geht und was nicht. Viele Kirchen denken, es reicht aus, mit einer mittelmäßigen Internetpräsenz im Netz zu sein. Oft scheitert es auch einfach an der Aktualität. Eine Website, die nicht gepflegt wird, kann man sich auch sparen.

Ärgert es Sie, dass in der christlichen Szene so schlechte Kommunikation gemacht wird?
Na ja, schlechte Werbung kann mich allgemein schnell auf die Palme bringen. Das gilt nicht nur für christliche Kommunikation. Wer hält schon einen durchschnittlichen Werbeblock im Fernsehen aus, ohne vor Langeweile oder Plattitüden zu ersterben? Auch das, was an den meisten Plakatwänden und Litfasssäulen prangt oder in Zeitschriften und Zeitungen um unsere Aufmerksamkeit buhlt, ist nicht gerade umwerfend. Ich würde sagen, die christliche Kommunikation ist nicht besser oder schlechter, als die anderer Interessensverbände und so mancher Organisationen. Gute Werbung ist leider immer noch die Ausnahme. Ich finde es besonders schade, dass christliche Kommunikation selten zu den Vorzeigekampagnen zählt. Schade auch deshalb, weil mir die Kernbotschaft sehr am Herzen liegt und ich der festen Überzeugung bin, dass man diese besser kommunizieren könnte.

Gute Werbung ist die Ausnahme, sagen Sie. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Der besten Kommunikation liegt immer eine fundierte Strategie zugrunde. Man muss sich klar sein, wem man was, wie kommunizieren will. Darum müssen die Kunden, die mit uns zusammenarbeiten möchten, am Anfang alle durch das gleich Nadelöhr: unseren Strategie-Workshop. Darin gehen wir gemeinsam genau den Fragen auf den Grund, deren Beantwortung die Grundlage für eine ordentliche Kommunikation bilden. Zu klären wären da zum Beispiel die Kommunikations-Ziele, Mitbewerber, Marktsituation, Zielgruppen, Vorgeschichte, das Umfeld, die Tonalität und vieles andere mehr. Danach sind alle schlauer: Wir wissen, was zu tun ist und unsere Kunden wissen, welchen Punkt sie mit ihrem Projekt am Markt machen können.

Die meisten Unternehmen – und auch kirchlichen Institutionen – vergessen diese Vorarbeit und meinen, gleich mit der Kampagne beginnen zu können. Das ist meiner Meinung nach zu kurz gedacht. Und der Grund, warum es so wenig gute Kommunikation gibt.

Was denken Sie: Warum hat Kirche oftmals nicht den Mut, pfiffige, witzige, schockierende oder auffühlende Kampagnen zu fahren?
Pauschal kann ich das gar nicht beantworten. Ich weiß nicht, ob ich behaupten wollte, dass die Kirche keinen Mut zu solchen Kampagnen hat. Vielleicht fehlen ihr auch schlicht die Leute, die sich solche Kampagnen ausdenken. Es ist ja auch nicht leicht, für dieses Thema Werbung zu machen – im übrigen ist es für kein Thema leicht, Werbung zu machen.

Zwei Kardinalfehler, die mir immer wieder begegnen: Erstens, es werden Amateure ins Rennen geschickt, die vielleicht engagierte Christen sind, aber leider von Kommunikation keine Ahnung haben. Zweitens, man zieht Profis heran, die zwar viel von Kommunikation wissen, bei denen Kirche aber schon von vornherein in bestimmten Schubladen steckt, so dass die Kommunikation nur innerhalb dieser Schubladen abläuft. Und damit leider oft nur Plattitüden bedient, die keinen Punkt in der Gesellschaft machen. Kampagnen, die bewegen, kann man weder von Ersteren noch von Letzteren erwarten.

Welche Kampagnen für Kirche oder kirchliche Hilfswerke – außer Ihrer eigenen – sind Ihnen in Erinnerung?
Da gab es 2001 eine Kampagne in Amerika. Große Werbetafeln, die an den Highways aufgestellt waren. Auf schwarzen Plakaten mit weißer schlichter Schrift ließ man dort Gott persönlich zu Wort kommen.

Die Sprüche lauteten unter anderem: „I hate rules. That’s why I only made ten of them. God“ „Nietzsche is dead. God“ „When you’re weary, feeling smal. When tears are in your eyes, I will dry them all. Simon & Garfunkel / Ditto. God“

Die Kampagne wurde auch in Singapur geschaltet. Die asiatische Variante konnte in Cannes einen goldenen Löwen abräumen. Super Ideen mit großem Impact, viel Humor und Einfühlungsvermögen – sehr aufmerksamkeitsstark.

Fällt Ihnen noch eine Kampagne ein?
Ja, 2003 gab es eine Plakatkampagne für die Evangelische Landeskirche in Württemberg unter dem Motto „Kirche – mehr als man glaubt“. Das waren teilweise ganz gute Sprüche, die mir in Erinnerung geblieben sind. Da stand zum Beispiel auf einem Plakat an einer Großbaustelle „Geht das hier mal voran? Die Welt war ja auch in 7 Tagen fertig.“ oder ein Plakat an einem Gerüst einer gotischen Kirche „Liebe Tauben, wenn ihr weiterhin euer Geschäft hier verrichtet, suchen wir uns ein anderes Friedenssymbol.“

Und es gab 2008 ein Plakatmotiv für „Brot für die Welt“. Dort sah man eine Reisschale, in der nur noch ein paar Körner lagen. Mit der Headline: „Weniger ist leer.“ Darüber hinaus gibt es viele Non-Profit-Organisationen, die immer wieder mit guten Kampagnen auffallen. Tierschutzvereine wie Peta oder Noah, Umweltschutzvereine wie Greenpeace und Menschenrechtsorganisationen wie zum Beispiel amnesty international.

Warum erinnern Sie sich gerade an diese Kampagnen?
Die drei genannten Beispiele waren grafisch sehr gut gestaltet und hatten alle eine gute Kommunikationsidee. Jede Kampagne war auf ihre Art überraschend, entfesselnd und überzeugend. Gute Werbeplakate, die neben jedem anderen Werbeplakat – egal für welche Organisation oder welches Produkt – gut bestehen können.

Fehlt es an Sachverstand und Know-how oder versucht Kirche oftmals, mit einer Kampagne alle Zielgruppen zu erreichen; von der 90-Jährigen gläubigen Oma, die jede Woche zur Messe geht, bis hin zum Jugendlichen, der mit Kirche nichts am Hut hat?
Ach, an der Verfehlung der Zielgruppe allein kann man das Problem gar nicht festmachen. Das ist sicher auch ein Aspekt, aber eben nur einer von vielen. Ich denke, Sie haben schon Recht mit der Frage, ob es am Know-how fehlt. Aber, wie ich schon sagte, ich finde, dass da nicht nur die Kirchen oder Non-Profit-Organisationen Defizite haben. Wo schlechte oder keine Werbung gemacht wird, fehlt es meistens zuallererst am Glauben, dass qualitativ hochwertige, treffsichere Kommunikation wirklich etwas bewegen kann.

Wie muss Kirche heute für sich werben, um gehört und gesehen zu werden? Was würden Sie kirchlichen Auftraggebern empfehlen?
So pauschal kann ich das gar nicht beantworten. Kommt immer auf die Kernaussage an, die man machen will. Aber sich allein schon im Klaren zu sein, was man sagen will, würde einen ersten Schritt in die richtige Richtung bedeuten.

Eine grundsätzliche Empfehlung: Man kann sich heute nicht mehr nur einfach auf die Kanzel stellen, und den Menschen etwas vorpredigen – auch nicht im übertragenen Sinn. Der Zug ist längst abgefahren. Man muss über den Tellerrand blicken. Sich in die Situation der Menschen zu versetzen, die man erreichen will. Viele sind auf der Suche. Allerdings wissen die meisten gar nicht genau, was sie eigentlich suchen. Und keiner mag Pauschalantworten. Da muss man sich schon etwas einfallen lassen, um bei der allgemeinen Dauerberieselung heutzutage, Gehör zu bekommen.

Was macht für Sie eine gute kirchliche Kampagne aus?
Christliche Kommunikation hat einen Hang zum Weichspülen. Dabei haben wir einen souveränen Gott. Wir müssen niemanden anbiedern – Gott tut das auch nicht. Auch mit Plattitüden kommt man in unserer Kommunikationslandschaft nicht sehr weit.

Je ehrlicher und authentischer die Kommunikation, desto besser. Das Leben ist kein Picknick. Und wir sollten auch nicht so tun. Nur weil jemand an Gott glaubt, wird er nicht automatisch auf Rosen gebettet sein. Gute kirchliche Kampagnen trauen sich, diesen Tatsachen ins Auge zu sehen – und auf dieser Grundlage reelle Lösungen anzubieten. Schauen Sie sich Gott an: Er bespielt die ganze Klaviatur – von leisem Säuseln bis zum tobenden Orkan beherrscht er alle Arten der Ansprache. Die Kirche darf ruhig überraschender kommunizieren und nicht immer so, wie man es ohnehin von ihr erwartet.

Für welches Nonprofit-Unternehmen, welche Kirche oder welches kirchliche Hilfswerk haben Sie schon Werbung gemacht?
Ich habe für amnesty international einen Film produziert und eine Kampagne mit dem Thema „Mehr Zivilcourage“ für die Hamburger Polizei, diverse Corporate Designs für kirchliche Einrichtungen – darunter eins für ein christliches Palliativ-Netzwerk, viele Plakate für einzelne Kirchengemeinden, eine kirchenübergreifende Aktion für Glaubensgrundkurse in Hamburg und zuletzt habe ich für die Deutsche Bibelgesellschaft Buchgestaltung und Marketing für die Markteinführung der Neuen Genfer Übersetzung konzipiert und gestaltet.

Von mir gibt es eine große Menge christlicher Drucksachen www.godcards.de und aktuell arbeiten wir als Agentur für mehrere Projekte mit christlichem Hintergrund, die ich aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht genauer benennen darf.

Welche Erfahrung haben Sie generell mit diesen Auftraggebern gemacht?
Die Entscheidungsgremien sind häufig sehr groß und die Ansprechpartner sind oft nicht ausgebildet in Sachen Marketing und Kommunikation. Ein Phänomen, das ich häufig aus diesem Umfeld kenne ist, dass man sich Profis nur für den Startschuss gönnt und dann meint, mit dem vorhandenen Material, die Kampagne selber weitermachen zu können.

Da es aber oft am nötigen Know-how fehlt, werden dann einst gute Ideen leider nicht gut weitergeführt. Die Folge ist Enttäuschung auf allen Seiten: Der anfängliche Kampagnen-Erfolg schwenkt um in Misserfolg – und das, obwohl man doch zu Anfang richtig Geld in die Hand genommen hat. Das wird dann wiederum als Beweis angeführt, dass die teure Werbung nichts gebracht hat.

Die Verbraucher fühlen sich nicht ernst genommen, weil sich die Ansprache ursprünglich anders angefühlt hat. Und die Agentur sieht ihre Idee verunstaltet, weil Konzept und Layouts laienhaft und mit unprofessionellen Bordmitteln umgestaltet werden.

Gibt es Unterschiede zwischen kirchlichen Auftraggebern und Auftraggebern aus der Wirtschaft?
Ich erlebe eine große Offenheit von Seiten kirchlicher Aufraggeber, sich auf Werbung einzulassen. Aber auch eine große Unbeholfenheit. Und Angst gegenüber Marketing. Weil man denkt, damit würde man die Leute negativ beeinflussen oder gar lügen. Da gibt es echten Beratungsbedarf: dass Werbung, die lügt, auf kurz oder lang keine Chance hat. Dass kreative Werbung dagegen absolut klasse ist, weil sie überrascht, die Herzen öffnet und einfach mehr Spaß macht und ankommt.

Die Sage, dass Werbung negative Manipulation ist, ist in der Kirche genauso weit verbreitet, wie die andere Sage unserer Gesellschaft, dass Gott sich nur in gotischen Gemäuern wohl fühlt, nicht gern feiert oder gegen jede Form von Freude und Ausgelassenheit – also sehr spaßbefreit – sei.

In der Wirtschaft gibt es ein größeres Bewusstsein und Verständnis dafür, dass man ohne ordentliche Kommunikation nicht bestehen kann und das die eben auch Geld kostet.

Gibt es unter den kirchlichen Auftraggebern mehr Bremser und Bedenkenträger als in Wirtschaftsunternehmen?
Nein, Bedenkenträger und Bremser gibt es überall. Leider.

Wie läuft die Zusammenarbeit in der Regel ab?
Die Zusammenarbeit läuft meist so ab: Wir machen eine große, tiefschürfende Bestandsaufnahme zusammen mit dem Kunden im Zuge unseres Strategie-Workshops. Danach kommt die Phase der Ideenfindung. Das geht solange, bis wir die beste Idee herausgefiltert haben. Die präsentieren wir dann.

Meistens präsentieren wir nur eine, weil es nicht darum geht, dem Kunden zu zeigen, dass wir viele Ideen haben, sondern welche Idee, die beste für die jeweilige Kommunikationsaufgabe ist. Bisher gab es da selten Abstriche. Meistens haben wir die Idee so auf den Punkt bringen können, dass die Kunden ohne viele Einwände mitgezogen sind. Nein, im Gegenteil: Meistens konnten wir unsere Kunden sehr begeistern. Die Texte und Konzepte für die NGÜ zum Beispiel sind eins zu eins so umgesetzt worden, wie sie ursprünglich mal präsentiert wurden.

Übrigens: Die schlimmsten Ideenkiller sind nicht die Kunden. Verrückterweise ist die gute Idee der Tod der besten Idee. Also nie mit dem Erstbesten zufrieden geben!

Wie reagieren kirchliche Auftraggeber, wenn Ihnen die Kampagne nicht gefällt?
Auch nicht anders als andere Auftraggeber, würde ich denken. Man äußert sein Unbehagen und schaut dann, woran es liegt und wie man zueinanderfinden kann. Viele Wege führen nach Rom – und manchmal gibt es eben Vorlieben oder Geschmäcker. Daran kann man feilen.

Wurde schon einmal eine Kampagne von Ihnen für Kirche oder kirchliche Hilfswerke abgelehnt und nicht geschaltet oder gesendet? Falls ja, mit welcher Begründung?
Witzig! Nein, bisher wurde noch keine Kampagne für christliche Themen abgelehnt. Aber ein Werbefilm, den ich vor Jahren für eine Fernsehzeitschrift gemacht habe, der wurde, obwohl der gesamte Film schon gedreht und fertig produziert war, abgelehnt beziehungsweise umgeändert, weil der Kunde befürchtete, der Werberat könne ihm wegen des Filmschlusses auf die Pelle rücken.

Drei Fragen zum Schluss: Sind Sie Mitglied in der Kirche?
Ich bin in der evangelischen Landeskirche aufgewachsen, war jahrelang in diversen Freikirchen aktiv und bin zurzeit in keiner Kirche Mitglied.

Glauben Sie an Gott?
Viel wichtiger: Glaubt Gott an mich? Beide Fragen glaube ich mit „ja“ beantworten zu können.

Glauben Sie, der Papst würde Ihr Neues Testament im Moleskine-Stil verschenken?
Einem Pilger für die Reise – warum nicht? Immerhin nennt der Papst auch eine Volxbibel sein Eigen. Habe mir aber sagen lassen, dass der Vatikan nur bestimmte Übersetzungen akzeptiert. Die Neue Genfer Übersetzung zählt da, meines Wissens, nicht dazu. Aber, wer weiß.

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