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Text: Prof. Andreas Büsch

 

Prof. Andreas Büsch, Theologe und Erziehungswissenschaftler, ist seit 2000 Professor für Medienpädagogik und Kommunikationswissenschaft an der Katholischen Hochschule Mainz. Seit Anfang 2012 leitet er außerdem die Clearingstelle Medienkompetenz der Deutschen Bischofskonferenz an der KH Mainz. Als Berater der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz war er auch Mitautor des 2011 veröffentlichten medienethischen Impulspapiers „Virtualität und Inszenierung. Unterwegs in der digitalen Mediengesellschaft“.

 
   
 

 

 

 

„Warum ist Medienkompetenz heute so wichtig und was sollten Jugendliche über YouTube wissen?“

„Nie war sie so wertvoll wie heute“ – ich habe mittlerweile das Gefühl, mit dem alten Werbeslogan ließe sich auch Medienkompetenz anpreisen. Denn während auf der einen Seite Medien endlich als Bildungsgegenstand in der Schule und der Lehrerbildung ankommen sollen und auf der anderen Seite Jugendliche Sozialen Netzwerken zunehmend den Rücken kehren und auf Instant Messenger umsteigen, fällt immer mehr Erwachsenen auf, dass Medien irgendwie ein Lerngegenstand sein müssten.

Richtig ist, dass Medien in modernen Gesellschaften eine für den Einzelnen kaum noch zu überblickende Rolle spielen – und zwar in immer mehr Lebensfeldern. Als Dieter Baacke Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts den Begriff der Medienkompetenz aufbrachte, ging es ihm um gesellschaftliche Partizipation aller: eben weil Massenmedien eine zunehmend größere Rolle spielten, sollten Menschen kritisch und reflektiert mit ihnen umgehen.

Richtig ist aber auch, dass sich seitdem der Medienbegriff entschieden verändert hat: Wir erleben mit digitalen Medien und vor allem Social Media gerade die zweite Kommunikationsrevolution. Und das heißt für jeden von uns, dass wir zwingend unsere Rolle verändern. Bei klassischen Massenmedien wie Zeitung oder Rundfunk waren wir einfach Leser, Hörer oder Zuschauer - Rezipienten eben. Dank Social Media sind wir aber zwangsläufig immer Prosumer: Wir konsumieren Medien – aber wir produzieren sie auch. Mit jedem „Gefällt mir“- oder „Teilen“-Klick in sozialen Netzwerken, mit jedem Kommentar, jedem selbst geposteten Bild, Video oder Blog-Beitrag schaffen wir Medien und gestalten sie mit. Und das nicht mehr nur an speziellen „Medienorten“ wie dem Schreibtisch, sondern dank mobiler Vernetzung jederzeit und überall.

Für mich gehört daher zu Medienkompetenz weit mehr als nur die technisch-praktische Fähigkeit, die Geräte, Dienste und Angebote bedienen zu können. Am Beispiel YouTube lässt sich das meines Erachtens gut konkretisieren:

Es geht zuallererst um eine ästhetische Kompetenz, unsere sinnliche Wahrnehmung zu entwickeln, denn Medien sind immer schon eine Verlängerung unserer physischen Möglichkeiten. Was kann ich also sehend erkennen, was kann ich wie zeigen?
Die kritische Kompetenz bezieht sich zum einen auf die subjektive Bedeutungszuschreibung: Was aus den rund 300 Stunden Videomaterial, die jede Minute auf YouTube hochgeladen werden, ist für mich relevant? Zum anderen aber auch auf die Fähigkeit zur „Unterscheidung der Geister“: Was davon ist wahr und gültig, was eher bedenklich? Schließlich gehört hierzu auch die kritische Reflexion auf die Produktionsbedingungen: die Möglichkeit, sich und seine Kreativität auf YouTube auszuleben steht unter der Bedingung eines Geschäftsmodells, dass aus der Verknüpfung von Daten Gewinne generiert.

Dabei darf Genuss durchaus eine Rolle spielen – ich halte idealtypische Konzepte, die das Unterhaltungsbedürfnis von Menschen ausblenden und einen rein rationalen Umgang mit Medien predigen, für verfehlt.

Aber unser Medienhandeln muss auch verantwortlich sein: Gerade weil wir bei Social Media wie YouTube jederzeit Prosumer sind, trifft uns eine doppelte ethische Verantwortung. Konkret geht es z.B. darum, in Videobeiträgen und Kommentaren andere nicht herabzuwürdigen und sich selbst nicht bloßzustellen, eine vernünftige Abwägung zwischen Kommunikationsbedürfnis und Privatsphäre-Einstellungen zu schaffen – und im Zweifelsfall lieber (visuelle) Diskretion walten zu lassen!
Denn wir sollen unsere Kommunikation ja durch und mit Medien gestalten und damit – ganz im Sinne des katholischen Verständnisses von Medien als sozialen Kommunikationsmitteln – aktiv an der Gestaltung von Gesellschaft partizipieren. Dies muss aber eben immer subjektiv sinnvoll und sozial verantwortlich geschehen.

Und so bleibt die Nutzung von YouTube und andere Social Media-Diensten immer eine sehr ambivalente Geschichte: Hilft mir als Jugendlicher YouTube mehr bei meiner Identitäts- und Beziehungsgestaltung? Oder helfe ich mehr Google, dem Besitzer von YouTube, mit mir und meinen Daten Geld zu verdienen?
Wohl dem, der hier eine medienkompetente Entscheidung zu treffen weiß!

 

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