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Text: Thomas Nohl  

Thomas Nohl, geboren 1991, macht eine Ausbildung zum Mediengestalter für Digital- und Printmedien in Mülheim an der Ruhr. Ständig umgeben von modernen Medien, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit erreicht ihn eine Kommunikationsweise nicht mehr: die der Kirche.

 
   
 

 

 

 

„Herr Nohl, noch sind Sie Mitglied der evangelischen Kirche, planen jedoch bereits schon länger Ihren Austritt aus der Gemeinde. Was sind Ihre Gründe? Und was müsste Kirche tun, damit Sie bleiben?“

Ja richtig, noch bin ich Mitglied der evangelischen Kirche, hauptsächlich deshalb, weil es mir durch die Taufe vorgegeben wurde. Der Grund, weshalb ich noch nicht ausgetreten bin, ist simpel: Es kostet mich, zumindest während meiner Ausbildung, nichts Mitglied zu sein. Wenn ich jedoch sage, ich möchte aus der Kirche austreten, so kostet es mich, meines Wissens nach, eine Gebühr von 30 Euro, die kann ich bei meinem geringen Gehalt jedoch deutlich besser investieren. Doch sobald ich meine Ausbildung beendet habe und ein Teil meines Einkommens an die Kirche abgeführt werden soll, werde ich die einmalige Gebühr für den Austritt bezahlen.

Es gibt viele Gründe, die mich zu der Entscheidung führten, die Kirche verlassen zu wollen, angefangen damit, dass ich das Konstrukt (in erster Linie der katholischen) Kirche, ablehne. Eine Gesellschaft angeführt von alten, konservativen und weltfremden Männern, die einen solch schwerwiegenden Einfluss auf die gesamte Welt hat, möchte ich nicht unterstützen.

Ich habe das Gefühl, diese Menschen sind in einer Fantasiewelt hängen geblieben, die mit der Realität einfach nichts mehr zu tun hat und möchten doch bei jeder sich bietenden Gelegenheit, wie zum Beispiel bei Stammzellenforschung, Einfluss auf das Geschehen nehmen.

Ich kann mich einfach nicht damit anfreunden, dass Leute in einem Ethikausschuss sitzen, deren Doktrin es ist, Verhütungsmittel als etwas Schlechtes abzustempeln, Homosexuelle als Menschen zweiter Klasse zu behandeln und Forschung, die Tausenden Menschen das Leben retten könnte, als gotteslästerlich zu bezeichnen.

Mit der evangelischen Kirche habe ich diesbezüglich weniger Probleme. Ihre Hierarchien beruhen auf einem demokratischen Prinzip, es gibt keine zentrale Figur wie den Papst, der wie ein König in mittelalterlicher Manier solange im Amt ist, bis er stirbt. Während seiner Amtszeit beeinflusst er aber noch viele Menschen, mit dem was er sagt und das ist nicht selten etwas rückständig.

Die Protestanten, mit denen ich bisher zu tun hatte, sind dagegen vor allem eines: weltoffen. Es kommt mir nicht so vor, als sei die evangelische Kirche an irgendeinem Punkt in der Geschichte ausgestiegen, sondern vielmehr so, als würde sie zumindest versuchen, auf aktuelle Geschehnisse einzugehen und auch ihre Haltung einer modernen Welt anzupassen.

Als nächsten wichtigen Punkt sehe ich die Skandale und das Leid, welche die Kirche seit ihrer Gründung verursacht hat. Angefangen beim Ablasshandel, armen Menschen das Geld abnehmen um den Bau von Prunkbauten zu finanzieren, Nächstenliebe würde ich anders definieren.
Dann die Kreuzzüge, die eine Welle von Fanatikern durch ganz Europa trieb und alles was nicht christlich war verbrennen, erhängen oder köpfen lies, genau wie es heute der “Islamische Staat” tut, auch hier habe ich Schwierigkeiten, Nächstenliebe und Barmherzigkeit zu erkennen.

Und zu guter letzt die unzähligen Fälle der Kindesmisshandlung durch Geistliche innerhalb der letzten 20-30 Jahre oder aber die Veruntreuung von öffentlichen Geldern durch einen gewissen Bischof in Limburg. Es wird immer gerne von Einzelfällen gesprochen, aber dieses Argument trifft bei mir auf taube Ohren.

Und nicht zuletzt kann ich mich einfach nicht damit anfreunden, dass man in einem aufgeklärten und vor allem säkularisiertem Land lebt und trotzdem eine vom Staat gesammelte Steuer an die Kirche abtreten muss. Kein Zweifel, ohne die kirchlichen Einrichtungen, wie Krankenhäuser oder Unternehmen der Diakonie würden viele Menschen ohne Arbeit und viel schlimmer noch, ohne ärztliche Versorgung da stehen, aber ich sehe nichts was dagegen spricht diese Einrichtungen und Unternehmen durch Staatliche Einrichtungen zu ersetzen, das Geld was heute als Kirchensteuer gesammelt wird, könnte so vermutlich effektiver verwendet werden, ohne dass das Finanzamt eine Aufwandsentschädigung einbehält und die Menschen, die heute im Namen der Kirche gutes tun, werden dies auch dann noch tun, wenn ihr Arbeitgeber nicht mehr die Kirche ist, sie bleiben ja trotzdem noch gute Menschen.

Um für mich attraktiver zu werden, könnte die Kirche anfangen, mir gezielt zu zeigen, was mit meinem Geld tatsächlich passieren soll und wenn mir gefällt was ich sehe, bin ich bereit Geld zu zahlen - Crowdfunding ist hier das Stichwort. Angenommen die evangelische Gemeinde in Duisburg beschließt ihr Gemeindehaus zu erweitern um Flüchtlinge aufzunehmen und braucht dafür Geld, dann würde ich, selbst mit dem Gehalt eines Auszubildenden, sagen “Okay, das ist etwas was ich unterstützen will!” und einen gewissen Betrag zahlen. Es ist mir einfach wichtig, dass mein Geld richtig angelegt ist und nicht unkontrolliert in die falschen Taschen geht.

Man hört immer wieder, wie viele Gemeinden in Deutschland in den letzten Jahren mit schwindenden Mitgliederzahlen zu kämpfen haben, da könnte ich mir auch vorstellen, dass die Kirche sich an Schottland orientiert und die Kirchen mit fehlender Gemeinde einfach freigibt um daraus Kneipen oder Konzertsäle zu machen, dann werden die schönen Gebäude wenigstens wieder benutzt und der Leerstand beseitigt.

Was mich dazu bewegen würde mich am Gemeindeleben zu beteiligen, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Auch bei längerem Nachdenken fällt mir nichts ein, was mich dazu bringen könnte, mich in einer Gemeinde zu engagieren oder einen Gottesdienst zu besuchen.

 

nach obeN

     
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