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Text: Ludger Verst

 

Ludger Verst, Jahrgang 1959, ist seit 1999 Inhaber von INTERFAITH – Labor für soziale Kommunikation – in Dreieich. Die Agentur arbeitet in den Bereichen Medien, Bildung und Seelsorge, insbesondere an deren Schnittstellen. Nach dem Studium der Katholischen Theologie, Germanistik, Philosophie und dem Referendariat, war Verst in den 1990er Jahren Autor und Moderator einer kirchlichen Sendereihe bei SAT.1 und Rundfunkjournalist im Bistum Münster. Von 1994 bis 1998 leitete er das Referat Hörfunk/Fernsehen in der Zentralstelle Medien der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn. Von 2000 bis 2013 war der Lehrer und Diakon zudem Ausbildungsleiter an der katholischen Journalistenschule IFP in München und dort für die so genannten Theologenkurse verantwortlich.

 
   

 

 

 

„Herr Verst, Sie waren von 2000 - 2013 Seminarleiter beim ifp und für die journalistische Medienausbildung von Theologinnen und Theologen zuständig. Was haben Sie Ihren Kursteilnehmern mit auf den Weg gegeben? Welche Erwartungen und Fragen hatten speziell Ihre Kursteilnehmer? Welche Ergebnisse und Erkenntnisse wurden angestrebt?“

Ich sage ihnen: Redet so, wie ihr auch sonst redet. Dann hört man euch zu, unabhängig davon, worum es geht. Das fällt vor allem Kirchenleuten schwer. Viele mühen sich ab in verschnörkelten, salbungsvollen Sätzen, um ihren Informationen über Gott und die Welt eine angemessene Form zu geben. Das wirkt dann künstlich und steril und hört sich an wie „pastorale Fertigrede“, wie Paul Konrad Kurz das mal genannt hat. Da lebt nichts. Da wird nichts riskiert. Kirchliche Botschaften sagen gern allen alles auf einmal und sagen damit vielen so gut wie gar nichts. Das Publikum aber verweigert sich theologischen Monologen – vor allem am frühen Morgen im Radio. Zwischen sechs und acht will keiner Dogmatik-Vorlesungen, sondern Musik, Service, Nachrichten; kurz, aktuell und mit lokalem Bezug. Die Hörer nutzen das Radio zum „mood management“; sie wollen in Stimmung kommen und nebenbei wissen, was Sache ist.

Wie geht das – hörerorientiert über den Glauben zu sprechen?

Religionsinteressierte wollen wissen, was es mit Gott und dem Sinn ihres Lebens auf sich hat. Und sie wollen dies kompetent und möglichst auf den Punkt gebracht. Sie suchen sich dazu entsprechende Anbieter. Die beiden großen Kirchen haben hier, weil institutionell und auch publizistisch weithin präsent, nach wie vor einen erheblichen Vorsprung. Der geheime Anspruch aber, allen gleichermaßen ein geistliches Zuhause zu bieten, greift voll ins Leere. Auch wenn es schwer fällt: Das Kommunikationsprofil kirchlicher Botschaften wird auf den Prüfstand müssen mit dem Ziel, Spiritualität zu vermitteln in jeweils passendem Medienformat. Das lernen die Kursteilnehmer in meinen Seminaren. Sie präsentieren zum Beispiel geistliche Impulse von 1:00 Minute, vielleicht auch von 1:30 oder 2:00 Minuten Länge. Dem geht ein hartes Stück Arbeit voraus. Für die Radio-Spots heißt das: Die Themen werden an gängigen Nachrichtenfaktoren gemessen, woran auch sonst. Es gibt zwar ein Drittsendungsrecht für die Kirchen, aber kirchliche Beiträge stehen nicht per se unter Artenschutz. „Gott“ an und für sich ist nämlich noch kein Thema. Er wird es erst, wenn er in eine relevante Geschichte verwickelt wird. Dass dies geschieht, dafür sind die Präsentatoren selbst verantwortlich. Sie müssen nach den göttlichen Spuren in den Geschichten der Menschen suchen, nach seiner Präsenz in den Dörfern und Städten, in den Glücks- und Unglückserlebnissen der Zeitgenossen. Journalistisch ausgedrückt: Es geht um Relevanz, um Aktualität und Nähe, Human interest, Originalität, Konflikt, Liebe, Fortschritt.

Und das kann man lernen?

Das kann jeder. Auch andere Berufssparten benutzen ja Fachvokabular. Nehmen Sie Architekten, Apotheker, Anlagenberater. Deren Produkte sind vielleicht eher greifbar oder sichtbar zu machen. Aber bei existenziellen Themen, bei Themen über Leben und Tod müsste ein Theologe doch erst recht auskunftsfähig sein. Christen glauben doch: Gott selbst begibt sich in all diese aktuellen, kuriosen, konflikthaften und dramatischen Situationen hinein und erregt dadurch allererst menschliches Interesse. „Human interest“-Geschichten über Gott erzeugen im Normalfall einen hohen Kommunikationswert. Und da setze ich in meinen Kursen an. Das klingt einfach, vielleicht zu einfach, sodass Kirchenleute immer wieder meinen: ‚Das geht so nicht. Ich muss doch jetzt etwas eindeutig Religiöses sagen. Etwas mit christlichem Mehrwert.‘ – Ich sage: Der Mehrwert des Christlichen liegt in der Geste, im Ton, in der Art, wie Sie was sagen, ob Ihre Redeweise auch bewirkt, was sie sagt. Es gibt keinen christlichen Mehrwert bestimmter Worte. Bedeutet Glauben so viel wie Vertrauen, dann – das wissen wir alle – ist er uns so unentbehrlich wie die Luft zum Atmen. Es gibt keine geistige Welt, die der materiellen hinzuzufügen wäre. Es gibt wohl eine geistige, von der Zeichensprache der Informatik zum Beispiel grundverschiedene Art, in dieser Welt zu sprechen, aber es gibt keine christliche Welt, auch keine christliche Sprachwelt, die eine andere ergänzen oder verbessern würde. Es gibt keine andere, zweite oder dritte oder vierte Welt, sondern verschiedene Arten und Weisen, in der vorhandenen einen Welt zu leben, und auch verschiedene Arten und Weisen, sie zu erkennen. Jesus benutzte Bilder aus der bäuerlichen Alltagswelt; er erzählte Beispielgeschichten und Gleichnisse – zum Beispiel vom langsamen Wachsen und Gedeihen -, um von der Kraft Gottes zu sprechen, die in uns wohnt. Es waren keine Stories aus einer Sonderwelt. Im Prinzip erzählen sie von nichts anderem als von dem Weg, den jemand geht. Und von solchen Weg-Geschichten kann es nie genug geben.

Gibt es für Sie eine „Goldene Regel“ in der Radioarbeit?

Ich kommuniziere Ereignisse, die ich hör- und sichtbar machen kann – als „Kino im Kopf“. Diese Ereignisse sollen das Interesse und die Emotionen meines Publikums wecken, indem sie ihnen eine neue Sichtweise, vielleicht eine Berührung mit dem Göttlichen ermöglichen.

 

 

 

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