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Titelstory von:
Dr. Norbert Kebekus
Bild: © 31M

 

 
   

 

Dr. Norbert Kebekus, Jahrgang 1958, ist Theologe und Leiter des Referates Medienpastoral im Erzbischöflichen Seelsorgeamt Freiburg. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Internetseelsorge, Kirche und Social Media sowie virtuelle Welten. Er ist einer der Autoren des Blogs sende-zeit.de.

 
   

 

 

 

 

 

 

Die katholische Bloggerszene

 

Schlauchboote statt Großtanker

Die größte Herausforderung an die Kommunikation der katholischen Kirche in unserer Mediengesellschaft dürfte die Entwicklung des Internet als Social Media bereithalten. Sich in einem prinzipiell hierarchiefreien Kommunikationsraum zu bewegen, in dem die Grenze zwischen Anbieter und User verschwimmt, ist für die Kirche völlig ungewohnt. Sie muss endgültig auf ihr Verkündigungsmonopol verzichten, sich der Konkurrenz auf dem Markt der Sinnangebote stellen, sich mit Suchenden, Fragenden und Kritikern auf einen echten Dialog einlassen. Sie muss den schwierigen Balanceakt wagen, die innerkirchliche Pluralität zuzulassen, ohne den Wahrheitsanspruch der eigenen Lehre aufzugeben. Sie muss die Eigenbotschaft des Mediums Internet - Partizipation und Vernetzung - ernst nehmen und verinnerlichen. Sie muss das Phänomen der Schwarmintelligenz (aber auch: der Schwarmdummheit) verstehen, virale Effekte berücksichtigen und mit Shitstorms umgehen lernen. Und das alles in einer Situation, in der die Entscheider (vor allem die Bischöfe) zumeist aus internetfremden Milieus stammen und sich zuweilen noch Webseiten ausdrucken lassen. Hinzu kommt die komplexe Struktur der katholischen Kirche in Deutschland, in der es die Partikularinteressen von 27 Bistümern auszutarieren gilt - andere Player wie Orden, Hilfswerke und Caritas nicht mitgerechnet.

So ist es kein Wunder: Im Hochgeschwindigkeitsmedium Internet wirkt die Kirche wie ein schwerfälliger Großtanker mit drei Kilometern Wendekreis, während kleine, wendige Schlauchboote oder Jet-Skis vonnöten sind. Aber es gibt sie längst, diese Schlauchboot-Kapitäne: Menschen, die in der digitalen Welt vom Evangelium Zeugnis geben, die sich zu ihrem Glauben bekennen und der Kirche so ein Gesicht geben. Die in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter agieren und mit ihren Blogs einen Beitrag zur christlichen Publizistik leisten.

 

Die Blogözese

In den letzten Jahren hat sich eine aktive katholische Bloggerszene gebildet. Ein Blog (Kurzfassung des englischen Begriffs „Weblog“, also „Internet-Tagebuch“) ist eine preiswerte bzw. kostenlose Möglichkeit, im Internet zu publizieren. Blogs bieten meist persönlich gefärbte, nicht selten pointiert zugespitzte Kommentare zu aktuellen Themen oder persönlichen Interessen der Blogger. Mit Hilfe der Kommentarfunktion können Leser auf Beiträge reagieren und diese diskutieren. Viele Blogs, die zu ähnlichen Themen geschrieben werden, sind untereinander verlinkt, so auch katholische Blogs. Die katholische Bloggerszene, die sich selbst in Anlehnung an das Wort Diözese als „Blogözese“ bezeichnet, ist untereinander recht gut vernetzt, nicht zuletzt auch bei Facebook.

Die Bezeugung des Evangeliums dürfte die häufigste und wichtigste Motivation sein, ein katholisches Blog zu betreiben. "Katholisches Blog" bedeutet hier, dass die Autorin bzw. der Autor katholisch ist und im Blog Glaubens- oder Kirchenfragen zumindest unter anderem thematisiert werden. Katholische Blogs sind nämlich keineswegs monothematisch aufgestellt. Gemäß der jeweiligen Vorlieben und Interessen der Bloggerinnen und Blogger finden sich auch selbst verfasste Gedichte, Musikvideos, politische Kommentare, Fotos von verschneiten Landschaften und vieles mehr. Es ist diese unverwechselbare persönliche Note, die einem Blog ein charakteristisches Profil verleiht.

Die Bloggerinnen und Blogger werden zumeist aus persönlicher bzw. privater Initiative aktiv, auch wenn es Priester und andere kirchliche Mitarbeiter unter ihnen gibt (z.B. den Speyerer Priester Carsten Leinhäuser [Link: www.vaticarsten.de]). Die meisten Autorinnen und Autoren kommen aus unterschiedlichen Berufen und Lebenssituationen: die Studentin, der Arzt, die Verwaltungsangestellte, der Historiker, die Hausfrau und Mutter, der Physiker, die Biologin, der Architekt, die Unternehmerin... Entsprechend groß ist die Vielfalt in Stil und thematischer Akzentsetzung. Im Blog Jobo 72 (Link: www.jobo72.wordpress.com) etwa publiziert Josef Bordat Beiträge zur christlichen Existenzphilosophie, insbesondere zum Verhältnis von Naturrecht und positivem Recht, während die "Braut des Lammes" (Link: www.brautdeslammes.blogspot.de) eher spirituelle Impulse entlang des Kirchenjahres veröffentlicht.

Auch wenn sich in der katholischen Bloggerszene ganz unterschiedliche Menschen tummeln, so ist doch auffallend, dass es überproportional viele Autorinnen und Autoren gibt, die konvertiert sind oder erst im Erwachsenenalter zum Glauben gefunden haben. Nicht selten mit Konvertitenfuror stürzen sie sich in die Auseinandersetzungen um Glaube und Kirche, insbesondere wenn es um klischeehafte, ungerechtfertigte Angriffe seitens etablierter Medien geht. So zum Beispiel die vermutlich meistgelesene deutschsprachige katholische Bloggerin Barbara Wenz in ihrem Blog Elsas Nacht(b)revier (Link: www.elsalaska.twoday.net).

Im deutschsprachigen Raum gibt es wenige institutionelle Blogs. Das Bistum Osnabrück hat im Jahr 2010 ein „Bistumsblog“ gestartet (Link: www.bistumsblog.de), mit Franz-Josef Bode als erstem bloggenden Bischof in Deutschland. Das Referat Medienpastoral der Erzdiözese Freiburg betreibt seit Januar 2010 ein Blog mit dem Titel „Sende-Zeit“ (Link: www.sende-zeit.de). Dort kommen in Gastbeiträgen auch andere katholische Bloggerinnen und Blogger zu Wort: Unter der Überschrift „Bekennerschreiben“ beantworten sie die Frage, warum sie katholisch sind (Link: www.sende-zeit.de/?s=Bekennerschreiben&x=13&y=12). In einer Zeit, in der mit Spott oder Gegenwind rechnen muss, wer sich öffentlich zur katholischen Kirche bekennt, bekommen diese Texte den Charakter eines Glaubenszeugnisses. Die Möglichkeit der Kommentierung ist zugleich ein Angebot zur Glaubenskommunikation.

Bei aller Vielfalt - man vergleiche nur die Blogs Frech.Fromm.Frau (Link: frech-fromm-frau.blogspot.de) und Frischer Wind (Link: www.frischer-wind.blogspot.de), deren Autorinnen sich vor einiger Zeit eine interessante öffentliche Diskussion über Sinn und Unsinn von Katechismen geliefert haben - kann man doch einen Trend in der Blogözese feststellen. Die katholischen Bloggerinnen und Blogger sind im allgemeinen zugleich romtreu und kreativ (als Beispiele mögen die Blogs Klosterneuburger Marginalien [Link: www.blog.derherralipius.com] und Echo Romeo [Link: www.echoromeo.blogspot.de] genügen). In dieser ungewöhnlichen Kombination kommen Stimmen zu Wort, die hierzulande nicht im kirchlichen Mainstream liegen, die in Pfarrgemeinden, in Verbänden, in diözesanen Fachstellen, aber auch im von der Deutschen Bischofskonferenz initiierten bundesweiten Dialogprozess eher zu kurz kommen. Bloggerinnen und Blogger stemmen sich gegen eine bequeme Anpassung der Kirche an den Zeitgeist und eine unerträgliche Banalisierung des Glaubens. Sie halten "die Fackel des unverfälschten Glaubens hoch" (um es mit Papst Benedikt XVI. zu formulieren), kämpfen für den Schutz des ungeborenen Lebens und setzen sich für eine würdige, heilige Liturgie ein. Zurzeit gibt es ein viel versprechendes Gemeinschaftsprojekt der Blogözese zum Jahr des Glaubens, ein gemeinsames Blog zum Apostolischen Glaubensbekenntnis (Link: www.das-ja-des-glaubens.de). So gesehen kann die Blogözese eine Ergänzung, Bereicherung, gewiss auch eine Herausforderung für die Glaubenskommunikation, für Katechese und Verkündigung sowie für die katholische Publizistik sein.

 

Paulus würde heute bloggen

Der Verweis auf Paulus geht Profis der katholischen Medienarbeit leicht über die Lippen: „Die Kirche hat zweitausend Jahre Medienerfahrung. Paulus hat im Altertum Briefe geschrieben, heute würde er bloggen“. So oder ähnlich ist es des öfteren in Interviews oder Essays zu lesen. Tatsächlich ist die katholische Bloggerszene in mancher Hinsicht auf den Spuren des Apostels unterwegs. Auch Paulus war ein Konvertit, und durch sein Damaskuserlebnis "vom Saulus zum Paulus" gewandelt, kämpfte er mit Leidenschaft für den Glauben an Christus. Konflikte scheute er nicht, selbst einen Streit mit Petrus riskierte er. Er wies Gemeinden auf (liturgische) Missstände hin, verschwieg aber keineswegs seine eigenen Schwächen und Unzulänglichkeiten. Vor allem aber brannte er für das Evangelium Jesu Christi. Das sind Merkmale, die durchaus auch auf viele Bloggerinnen und Blogger zutreffen. Paulus ist also in gewisser Hinsicht das Vorbild der Blogözese.

 

Der Großtanker und die Schlauchboote

Menschen, die mehr von der Seefahrt verstehen als ich, können vermutlich bestätigen, dass es nicht leicht ist, mit einem Schlauchboot an einen Großtanker anzudocken. Ähnlich schwer miteinander tun sich manchmal offizielle kirchliche Stellen und die Bloggerszene. Das scheint kein spezifisch deutsches Problem zu sein. Als sich im November 2012 in den USA amerikanische Bischöfe mit Bloggern trafen (Link: www.sende-zeit.de/2012/11/12/usa-bischoefe-und-blogger), sah sich einer der Blogger genötigt, einen Text über "sieben Dinge, die Bischöfe über katholische Blogger wissen sollten” zu schreiben. Bezeichnenderweise fing er mit dem Hinweis an: “Wir sind eure Freunde, nicht eure Feinde”. Eine schöne Übertragung auf deutsche Verhältnisse hat Peter Winnemöller in seinem Blog (Link: www.blog.peter-winnemoeller.de/?p=3967) vorgelegt.

Woher kommt diese - meist gegenseitige - Skepsis? Zum einen sicherlich, weil Bloggerinnen und Blogger auf ihre Unabhängigkeit bedacht sind und sich nicht oder nur mit Mühe in Kommunikationsstrategien einbinden lassen. Zugleich personifizieren sie für kirchliche Pressesprecher geradezu den Verlust des Kommunikationsmonopols amtlicher Stellen. Zum anderen tummeln sich in der Bloggerszene auch einige schwarze Schafe, die sich als streitsüchtige Krawallkatholiken gebärden und die gesamte Szene in Verruf bringen (dass die mittlerweile verschwundene Hetz-Seite kreuz.net oft als "anonymes katholisches Blog" bezeichnet wurde, hat der Blogözese zusätzlich geschadet). Aber an Skepsis und Vorbehalten kann man arbeiten. Nicht zuletzt, wenn es gelingt, miteinander ins Gespräch zu kommen. Die vom Referat Medienpastoral im Erzbistum Freiburg initiierten Bloggertreffen dienen der Vernetzung sowohl untereinander als auch mit offiziellen kirchlichen Stellen. Den Anfang machte in diesem Jahr eine Kooperationsveranstaltung mit der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral (Link: www.kamp-erfurt.de). Das nächste Treffen wird im Mai 2013 in Zusammenarbeit mit dem Portal katholisch.de (Link: www.katholisch.de/de/katholisch) stattfinden, das seit kurzem übrigens auch ein Blog betreibt (Link: www.katholisch.de/de/katholisch/themen/katholisch_de_blog.php). Vielleicht nicht der "Beginn einer wunderbaren Freundschaft", aber der Anfang einer notwendigen Vernetzung?

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