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  Startseite Ausgabe 08 | banal - erhaben – Warum wir Rituale brauchen.
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Text: Frank Röller  

Frank Röller, geboren 1971, wuchs in Zweibrücken auf und widmete sich in seiner Kindheit und Jugend dem Schwimmen und der Leichtathletik in ortsansässigen Vereinen. Nach dem Abitur studierte er Biologie, Sportwissenschaft, Theologie und Pädagogik an der Universität des Saarlandes für das Lehramt an Gymnasien. Seit zehn Jahren ist er im gymnasialen Schuldienst, zurzeit am Helmholtzgymnasium in Zweibrücken. 2006 veröffentlichte er das Buch „Rituale im Sport – der Kult der religio athletae“.

 
   

 

 

 

„Haben Rituale des Sports religiöse Qualität?“

Die Rituale, die den Sport anreichern, setzen in den meisten Fällen den Glauben an Kräfte voraus, die im Prinzip ohne Vermittlung durch eine göttliche Instanz, also allein durch sich selbst, wirken. Sie wollen Gutes aktiv herbeiführen und Schlechtes abwehren, dabei spielt das Bewusstsein manchmal, das Unbewusste immer mit. Solche magischen Rituale werden von den Athleten vor, während und nach den Wettkämpfen in der Regel heimlich ausgeführt, die eigentlichen Hintergründe solchen Verhaltens sind meist sehr schwer nur zu bestimmen.

Die magische Praxis vieler Athleten – landläufig als „Aberglaube“ bezeichnet, ist vielfältig, oftmals kurios und grotesk, und Außenstehende regt sie nicht selten zum Schmunzeln an. Die Art der Glücksbringer umfasst von Menschen und Tieren über Kleingegenstände und Maskottchen hin zu Tagen und Zahlen so ziemlich alles, was es gibt. Solch magisches Verhalten tritt stark in Zufalls- und Glückssituationen sowie bei emotionalem Spiel auf und verschafft psychische Sicherheit. Lerntheoretisch gesehen ist vieles davon operant konditioniert.

Die Rituale der Fans hingegen sind zuweilen ganz anderer Natur: Sie präsentieren sich in einer unermesslichen Vielfalt: optisch, akustisch, häufig natürlich auch magisch, doch viel häufiger zeugen sie auch von echter Religiosität und kommen zudem äußerst reizvoll, schillernd und von immenser Kreativität zeugend daher. Die Lieder sind religiöser Natur, die Kleidung ist eine Gesinnungs- und Bekenntniskleidung, die rituell zelebrierten „Messen“ erlauben gar das Erfahren von Gemeinde. Alles in allem ist es sogar gerechtfertigt, zu behaupten, dass die Rituale den Wettkämpfen erst ihre eigentliche und grundlegende Bedeutung verschaffen.

Der Sport kann, mit Coleman/Baum gesprochen, „die Funktion einer alternativen Form von Religion übernehmen“, weil er eben das Bedürfnis nach Ritualen weckt, Gemeinschaft gründet, Zusammengehörig-keitsgefühle schafft und Sinn stiftet – und sei es bloß der, dass man weiß, wo man das nächste Wochenende verbringt. Beim Sport liegt ein Religionstyp vor, den man mit implizit umschreiben könnte: Die Menschen sind sich seiner religiöser Bedeutung und religiöser Wirkung in den meisten Fällen nicht bewusst. Es handelt sich zudem um eine funktionelle Religion, die bestimmten Zwecken dienlich ist, und auch in dieser Funktion implizite religiöse Ansprüche an den Menschen hat.

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