Startseite Ausgabe 06 | offen - heimlich - Wie kommuniziert man heute Liebe?
   
 
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Das Zukunftsinstitut ist ein Think Tank mit internationalem Fokus. Basierend auf Datenbeständen aus dem In- und Ausland sowie multimedialen Scanning-Prozessen erarbeiten die Horx-Mitarbeiter Zukunftsszenarien für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.

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Matthias Horx, Jahrgang 1955, ist einer der profiliertesten Redner zum Thema Zukunft und Trends im deutschsprachigen Raum. Er war zwölf Jahre lang als Journalist und Publizist für Zeitschriften wie Zeit, Merian und Tempo tätig, bevor er Anfang der 90er Jahre das Trendbüro mitbegründete.  
   
Dr. Eike Wenzel, Jahrgang 1966, ist Chefredakteur des Zukunftsinstituts und in Beratungsprojekten mit Unternehmen aus verschiedensten Branchen sowie als Referent in den Bereichen Tourismus, Medien, Food, Handel, Lebensstilforschung und Wertewandel tätig.  
   
Oliver Dziemba, hat Soziologie, Volkswirtschaftslehre, Sozialpsychologie und Methoden der empirischen Sozialforschung studiert. Seit 2006 ist er für das Zukunftsinstitut tätig, unter anderem als Autor für verschiedene Zukunftsstudien, den Zukunftsletter und als Online-Redakteur.  
   

 

 

 

Glück, Liebe, Intimität

Ergebnisse des Wertetrend-Monitor 2008

Seit Jahren versorgt das Kelkheimer Zukunftinstitut (www.zukunftsinstitut.de) alle Interessierten in Kultur und Wirtschaft mit aktuellen Trendansagen. Mit dem Wertetrend-Monitor 2008 hat es trotzdem etwas Besonderes auf sich: Erstmals verband das Zukunftsinstitut seine Expertise mit der internationalen Statistik des Londoner Gfk Roper Consulting. Die Roper-Gruppe fragt regelmäßig in mittlerweile 25 Ländern nach dem Staus Quo der Wünsche, Werte und Bedürfnisse. Insofern sind die Aussagen des Wertetrend-Monitors zweierlei: ein globaler Marktkompass, der erlaubt, Kommunikationsstrategien auf die großen Wunschlinie der Menschen abzustimmen; und ein ebenso globaler Konsumenten-Radar, der erlaubt, die zentralen Bedürfnisse in der vernetzten Welt in die Zukunft hinein zu prognostizieren. Sinnstiftermag dankt dem Zukunftsinstitut für die Erlaubnis eines exklusiven Vorabdruckes aus dem Kapitel über Glück, Liebe und Intimität.

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Trends
Zweifellos sind Glück, Liebe und Intimität Grundbedürfnisse, die Menschen gegenüber ihren Mitmenschen und der Gesellschaft einklagen und nach denen sie sich sehnen. Ein wichtiger Aspekt von Intimität, wie wir sie hier verstehen, ist das intensive Bedürfnis, mit einer anderen erwählten Person in Beziehung zu treten. Intimität und gelingende Zweisamkeit kann, so verstanden, auch als Erreichen von Lebensglück angesehen werden. Deshalb ist es kein Zufall, dass 78 Prozent der Befragten das Gefühl tiefemotionaler, mithin spiritueller Intimität als „extrem wichtig“ bewerten. In Deutschland nimmt Intimität auf Platz neun den höchsten Rang ein.

Zweifellos haben Glück, Liebe und Intimität auch eine starke Affinität zu einer romantischen Lebensauffassung. Die Erwartung, dass Partnerschaft und Intimität von erotischer Anziehung und tiefer Emotionalität geprägt sein sollte, repräsentiert sozusagen die zweite Seite dieses Themenkomplexes. Für 64 Prozent der von Roper/GfK zum Themenkreis Befragten ist spannendes Beziehungs- und Liebeserleben „sehr wichtig“ oder „extrem wichtig“. Das Erleben von persönlicher und/oder körperlicher Nähe gehört darüber hinaus zu einer Wertehaltung, die zwischen 2006 und 2008 eine klare Aufwertung erfahren hat. Waren es 2006 insgesamt 39 Prozent der Menschen, für die Intimität eine besondere Bedeutung in ihrem Leben spielte, sind es 2008 bereits 42 Prozent.

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Wie sehr Beziehungsleben als zentrales Lebensqualitätsmerkmal angesehen wird, dokumentiert der seit Jahren anhaltende Boom der Internet-Datingportale. Man kann (auch im Blick auf den Web
2.0-Hype) ohne Zweifel sagen, dass die Erfolgsgeschichte des Internets dadurch gekennzeichnet ist, dass sie ein Massenmedium zu einem Beziehungsmedium gemacht hat. Match.com, der weltweite Marktführer, machte mit der Verlockung, endlich den richtigen Partner und das neue Beziehungsglück zu finden, im Jahr 2006 311,2 Millionen US-Dollar Umsatz. In China gibt es gegenwärtig mehr als 64 Millionen Online-Singles, und eine Schätzung von iResearch.com geht davon aus, dass sich der Online-Dating-Markt im Jahr 2007 nahezu verdoppelt hat. Allein in Deutschland gibt es zur Zeit mehr als 5.000 Single- und Partnervermittlungsbörsen. Die Online Dating Branche in Deutschland hat im Jahr 2006 einen Gesamtumsatz von 116 Mio. Euro erzielt (40% Steigerung im Vergleich zum Vorjahr). Elf Prozent aller amerikanischen Internetnutzer halten Ausschau nach einem geeigneten Partner und 37 Prozent der amerikanischen Singles bestätigen, dass sie ins Internet gehen, um ihrem Beziehungsleben eine neue Richtung zu geben.

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* Glück und Lebensglück, das für viele Menschen direkt mit einem intakten Beziehungs- resp. Liebesleben einhergeht, stellt sich immer häufiger als ein Zukunftsindikator heraus, der auch von der Wirtschaft ernst genommen wird. (…)

* Eine ganze Wissenschaft hat sich inzwischen rund um die Frage nach dem Glück formiert, die in den nächsten Jahren noch erheblich wachsen wird. Glück wird ähnlich wie Bildung durch die PISA-Tests messbar und erlernbar. So hat sich bereits der „World Happiness Index“ durchgesetzt – ein Barometer für die glücklichsten und unglücklichsten Gesellschaften. (…)

Selbstredend wird auch sofort die Assoziation Sex aufgerufen, wenn es um Liebe und Intimität geht. Erstaunlich ist jedoch, dass exakt die gleiche Zahl, nämlich 64 Prozent, ein erfülltes Sexleben für extrem wichtig erachten. „Sex sells“, wenn nichts mehr geht, dann interessiert immer noch Sex, diese Binsenweisheit lässt sich jedenfalls nicht zu einem globalen Trend verdichten. Zumindest im Leben der Menschen hat Sex nicht mehr die Bedeutung, wie lange Zeit angenommen. Trotzdem lebt eine Industrie von sexuellen Tabuverletzungen und der Ausstellung und Ausbeutung des Intimsten sehr gut. Der Filtersoftwarehersteller Secure Computing schätzt die Zahl der pornografischen Seiten im Web auf 340 Millionen. (…) Das Geschäft mit dem „Erotic Home Entertainment“ brummt. (…)

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US-Teenie-Star Britney Spears verkündete vor Jahren: „Sex kommt für mich nicht in Frage.“ Bis zur Ehe wollte sie Jungfrau bleiben. Damit ist sie ein Vorbild für Teenager in aller Welt, denn schon seit Mitte der 90er Jahre steht die Keuschheit bei ihnen wieder hoch im Kurs. „Wahre Liebe wartet“ (www.lifeway.com/tlw/; www.wahreliebewartet.de) heißt eine Initiative aus den USA, und das Projekt erhält viel Aufmerksamkeit – auch in Deutschland. (…) 85 Prozent der Singles bekennen sich entschieden zum romantischen Heiratsantrag. Das belegt eine Internetumfrage unter rund 1.450 Männern und Frauen von Parship.de, Deutschlands führender Online-Partneragentur. 26 Prozent der Frauen und 21 Prozent der Männer glauben sogar, dass Romantik und Verbindlichkeit wichtiger seien denn je.

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Konsequenzen für Gesellschaft, Konsum und Märkte

Setzen Sie bei der Glückssuche der Menschen an, Glück in der Zweisamkeit ist ein spannender Markt und eine große Herausforderung an Dienstleister und Produkthersteller. Ein zukunftsträchtiger Markt, aber auch ein hoher Anspruch. Legen Sie sich deshalb genauestens Rechenschaft darüber ab, ob Sie mit Ihrem Angebot tatsächlich soweit gehen und als Glücksbote in Erscheinung treten können. Der weltweite Markt der Zweisamkeit ist noch ein junger Markt. Intensives Beziehungserleben, die hohe Wertschätzung von Partnerschaft und intimer Zweisamkeit steht offenbar ganz weit oben auf der globalen Agenda der Wünsche. Intimität wird über alle Kontinente hinweg als genuin menschlicher Grundwert verstanden, den es zu verteidigen gilt. (…) In der neuen Glückskultur steht die Sehnsucht nach einem erfüllten Beziehungsleben im Mittelpunkt. Und zwar nicht nur als romantisierende Botschaft, sondern im Sinne einer konkreten sozialen Zielbestimmung. Zweisamkeit ist der neue Sinngeber für die (alten und neuen) Medien. (…)

nach obeN