Startseite Ausgabe 04 | Erreicht/Unerreicht – Welche Zielgruppen spricht Kirche heute noch an?
   
 
Text: Dr. Ekkehardt Oehmichen
 
Dr. Ekkehardt Oehmichen ist seit 1992 Leiter der Medienforschung in der Intendanz des Hessischen Rundfunks.
 
   

 

 

 

„Inwiefern kann kirchliche Kommunikation
von Zielgruppenmodellen profitieren?“

Kirchlicher Kommunikation muss es darum gehen, Menschen in ihrer jeweiligen Lebenslage und Alltagssituation anzusprechen. Es geht um ihre Erreichbarkeit für bestimmte Themen, Fragestellungen oder Botschaften - unmittelbar an bestimmten Orten, zu bestimmten Ereignissen oder über ausgewählte mediale Wege. Lebensstil- oder Typologiemodelle, die geeignet sind, gesellschaftliche Gruppen im Hinblick auf diese Erreichbarkeit zu segmentieren, können soziodemografischen oder kirchensoziologischen Zielgruppenmodellen überlegen sein, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen.

Soziodemografische und kirchensoziologische Daten als Orientierungsgrundlage für kommunikative Strategien reichen in einer komplexen Gesellschaft, die sich in sehr unterschiedliche Milieus und Lebensstile gliedert, nicht mehr aus. Zu verschieden sind die sozialkom-munikativen Kontexte und die Mediennutzungsmuster der einzelnen Gruppen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein 60jähriger Arbeiter und ein 60jähriger Professor, beide katholisch, der selben Alters- und Geschlechtskategorie angehörig und womöglich auch mit dem selben Grad an Kirchennähe, hinsichtlich ihrer Ansprechbarkeit für kirchliche Kommunikationsangebote eher wenige Gemeinsamkeiten aufweisen. Die Notwendigkeit einer nach Form, Inhalt und eingesetzten Medien differenzierten Kommunikationsstrategie liegt auf der Hand.

Allerdings ist nicht jedes auf dem Markt angebotene Zielgruppenmodell für diese Zwecke geeignet. Typologische Instrumente sind in der Regel nur für bestimmte Themen und Fragestellungen konstruiert. Allgemeine Konsumententypologien mögen für Werbe- und Vermarktungszwecke recht breit einsetzbar sein, für kommunikative Strategien taugen sie nur bedingt, weil sie z.B. hinsichtlich medialer Präferenzmuster der Bevölkerung nur eine relativ geringe Erklärungskraft aufweisen.

Die bekannte MedienNutzerTypologie, die gerade als MNT 2.0 aktualisiert worden ist, um den fortschreitenden Prozess der Individualisierung der Mediennutzung besser abzubilden, gewährleistet prinzipiell eine hohe Segmentationsleistung im Blick auf mediale Kommunika-tionsbedürfnisse und Medienpräferenzen. Sie ist für den Bereich der elektronischen Medien optimiert, erbringt aber auch Erklärungsleistungen im Printsektor und für den Raum öffentlicher Veranstaltungen. Grundlegend ist hier, dass diese Typologie auf die alltäglichen Lebensbedingungen der einzelnen Gruppen rekurriert, weil sich dort die sozialkommunikativen und mediale Bedürfnisse äußern und zu spezifischem Verhalten führen.

Kirchliche Kommunikation könnte sich wie andere Institutionen, die in der Öffentlichkeit kommunikative Ziele erreichen wollen, dieses Zielgruppenmodells vor allem hinsichtlich der Erreichbarkeit der Bevölkerung über bestimmte Medien, Programme und Sendungen bedienen und würde damit gewiss gute Erfahrungen machen. Andererseits wäre zu überlegen, ob es nicht möglich ist, diesen Zielgruppenansatz im Blick auf die spezifischen kirchlichen Fragestellungen weiterzuentwickeln oder gar ein neues Modell zu konstruieren, dass eine noch größere Leistung erbringen könnte.

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