|
|
|
|
Text: Moritz Schuchardt
|
|
Moritz Schuchardt,
28,
ist Creative Director bei der Werbeagentur Schindler Parent
in Meersburg und Dozent für Werbetext an der Berufsakademie
Ravensburg. |
|
|
|
|
|
„Was ist für Sie aus Ihrer professionellen Perspektive das, was Ihnen von der medialen Berichterstattung über Sterben und Begräbnis von Papst Johannes Paul II. am bemerkens- und erwähnenswertesten erscheint?“
Wenn die Schäfchen schwarz tragen
oder: Alle Wege führen nach Rom
Es ist Samstag, der 2. April 2005, kurz nach
halb zehn, abends. Die Woche war anstrengend, aber kein Vergleich
zum Besuch eines schwedischen Möbelhauses heute früh.
Ehrlich gesagt: Ich habe beim besten Willen keine Lust mehr das
Haus zu verlassen. Sollen die anderen doch machen, was sie wollen.
Ich mache es mir jetzt gemütlich. Und die Pizza muss auch jeden
Moment da sein.
Ich schalte schon mal den Fernseher ein.
„...Karol Józef Wojtyla ist tot... .“ Wer? Ja,
ja Hubert Dimpfelmoser auch. Schlechte Nachrichten und schlechtes
Karma kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen. Da zappe ich lieber
weiter. Oder doch nicht. Ich bin irritiert. Karol Józef Wojtyla
– ist das nicht? Doch es ist. Der Mann vom Petersdom. Der
mit dem weißen Panorama-Mercedes. Das Oberhaupt der katholischen
Kirche. Johannes Paul II. Der Papst. Unser Papst. Und der soll tot
sein. Geht nicht. Gibt’s nicht. Kann nicht sein. Klar, er
war nicht mehr der jüngste. So ganz fit war er auch nicht mehr.
Aber deswegen gleich sterben? Können Päpste überhaut
sterben? Fragen über Fragen. Viel zu viele für einen einzelnen
Mann. Es klingelt. Aber mir ist der Appetit inzwischen gründlich
vergangen. Dabei bin ich noch nicht einmal katholisch.
Ich gehe jetzt ins Bett. Morgen sieht die
Welt bestimmt schon wieder anders aus. Und es stimmt. Die Welt sieht
anders aus. Ganz anders. Die Welt trägt Schwarz. Medial verordnet.
Und schick, dieses Einheitsschwarz. Sie trauert um einen Mann, der
seinen Frieden gefunden zu haben scheint. Ich will diesen Frieden
nicht stören – in keinster Weise – und doch stelle
ich mir schon wieder die ein oder andere Frage. Die wahrscheinlich
wichtigste: Über wen reden die hier? Doch nicht über den
Mann, der Homosexualität bis vor kurzem noch zum Kreis des
Unnatürlichen gezählt hat? Und der einer aktiven, selbstbestimmten
Empfängnisverhütung sagen wir mal nicht gerade aufgeschlossen
gegenüber stand? Es sieht ganz danach aus. Komisch, das hat
sich zu seinen Lebzeiten doch noch ein bisschen anders angehört.
Wie auch immer: Rom platzt aus allen Nähten.
Soviel steht fest. Mit Vereinsbussen und Sonderzügen pilgern
die Schäfchen – übrigens in Schwarz – scharenweise
in die italienische Hauptstadt, um ihrem Heiligen Vater die letzte
Ehre zu erweisen. Und wer hätte es gedacht: Die TV- und Medienanstalten
sind längst vor Ort. Live und in Farbe übertragen sie
das Geschehen. Für die wenigen, die nicht selbst hinfahren
konnten.
Die Welt – und damit meine ich auch
die, die es mit der Religion sonst eher flexibel halten –
ist wieder katholisch. Und Johannes Paul II. ist Weltmeister. Den
Medien, ob mit 3, 4 oder mehr großen Buchstaben im Namen,
sei Dank. Jetzt habe ich wirklich nur noch eine Frage: Wäre
die Geschichte vielleicht anders verlaufen – im WM Sommer
2006? Sozusagen Oli Kahn gegen Vatikan. Ich werde es wohl nie erfahren.
Himmlischst,
Ihr Moritz Schuchardt.
nach oben
|